Als der Blankenburger Gymnasiallehrer Oswald Spengler seine Zeit betrachtete, hatte er – anders als Karl Kraus zur etwa gleichen Zeit – nicht Hohn und Spott übrig. Vielmehr interessierten ihn die Analogien von Aufstieg und Niedergang, der Kreislauf des Lebens als Spiegel der Gesellschaftsgeschichte. Folgt die Menschwerdung einer stetigen Höherentwicklung? Wohl kaum! Was nach Rom kam in Europa, war dunkel und kalt – und das für Jahrhunderte.

Spengler fand heraus, und das mag hier als kurze Einleitung genügen, dass dem Sturz der jeweiligen Zivilisation, der Niedergang seiner Kultur vorausgeht. Also das, was wir seit dem Anfang des letzten Jahrhunderts in den verschiedenen geistigen Sphären registrieren und seit 1968 ganz bewusst auf allen gesellschaftlichen orchestrieren. Das Weglassen des Sakralen aus dem Leben der Menschen, die pure und damit überhebliche Wissenschaftsgläubigkeit, ist nichts anderes als der enthemmte Triumph des Profanen, der tiefe Fall von einer großen Kultur in die bloße Zivilisation.

Dass letztere keine Sinnstiftung mehr entfaltet, haben wir anfangs beklagt, dann wurden vom dümmsten Teil der neuen Eliten Geschichten gestrickt, die das Gehabe von Vielfalt, Transhumanismus und Vermischung in ein globales Postulat, in vom Westen geschriebene sogenannte Werte zu übersetzen versuchte und mit Geld und Gewalt – immer die Menschheit im Munde führend – und der imperialen Attitüde „wertegeleiteter“ Politik in die Welt versprüht. Dass die eigenen Ansprüche dabei ständig mit Füßen getreten werden, dass die Macht- und Hegemonialinteressen noch nicht einmal mit gewisser Mühe verborgen werden, der große Teil der Länder und Gesellschaften diese Lüge durchschauen und ablehnen, diskutieren wir regelmäßig weg: Sie sind eben noch von unseren Ideen zu überzeugen.

Die von Olaf Scholz aufgerufene „Zeitenwende“ ist vor allem dann als treffende Beschreibung gerechtfertigt, wenn dahinter die bisherige Kulmination der links-grünen Ideologie in ihrem Einbruch von der Theorie in die regierende Praxis gemeint ist: Die geplante Wohlstandsvernichtung zum Schutz der Welt, das geplante Ende des Wachstums als Grundlage eines als Feind ausgemachten Kapitalismus, das Primat von Haltung statt Bildung, die dümmliche Gleichmacherei von Allem und Jeden mit dem Anspruch nach unten, das Setzen von Ideologie über die Wissenschaft usw.

All das ist nur zu haben, weil man der Kultur schon lange abgeschworen hat. Jede Tradition, auch als Auslese von Bewährtem verstanden, würde sich einem solchen Primat der Dummheit entgegenstellen – wenn es sie denn noch gäbe. Ohne Kultur, ohne Tradition, ohne Wertegerüst und ohne Sinnstiftung sind Menschen wie leichte Segel im Ozean: Man ist glücklich, den nächsten Tag zu überleben.

Was aber, wenn nun die letzte Bastion des Westens, die Freiheit, der Ausgangspunkt unserer individuellen Lebensentwürfe, zur holen Phrase, zur bloßen leeren Karkasse, einem Zerrbild von Anspruch und Wirklichkeit verkommen ist? Was, wenn unser aller Lebensqualität in einem selbstbestimmten Leben nur noch das letzte Relikt eines längst geplanten Opferganges ehemals mündiger Bürger ist?

Bisher konnte man sagen – und das hat bei allen Verlusten im Zuge der Wiedervereinigung dieses Deutschland erträglich gemacht: Schau, ein Auto, Fernseher, zweimal im Jahr in den Urlaub, mit etwas Glück ein Haus – in welchem Teil der Welt ist das noch möglich? Konsum und Bedürfnisbefriedigung, der angenehme Überbau, der den Blick auf die Basis verstellt – Karl Marx hätte frohlockt. Aber damit hungern die Menschen nicht mehr wie 1913, sondern sind verfettet, am Körper und am Geiste. In dieser Disposition kann man an ihnen (fast) alles machen.

Was taugt also der Geist der Freiheit noch, wenn die Bewegung eingeschränkt, die Selbstbestimmung ausgehebelt, der Weg persönlichen Erfolges eingeebnet und der Wohlstand bewusst vernichtet wird? Der Ruf nach Solidarität verstellt den Blick auf das nackte, menschenverachtende Kalkül.

Was, wenn der Blick auf das zukünftige Wohl unserer Kinder nur noch schwarz ist und wir von der Hand in den Mund leben sollen? Was bedeuten unsere Werte noch, wenn die Menschen, Familien, im einzigen beheizten Raum ihrer Wohnung und gebeugt über die einlaufenden Rechnungen verzweifeln, weil sie ihr Leben auch mit Arbeit nicht mehr bestreiten können? Reisen sind passe, das Auto ein Auslaufmodell, das Internet zensiert, das freie Wort bedroht und das Stück Butter unerschwinglich – aber wir sollen die Freiheit der westlichen Welt verteidigen? Eine Freiheit, der der Blick in die Hose und dem Wechsel dessen was man dort sieht, ausreichen soll?

Liebe Leute, wir sind am Ende der Geschichte angelangt, das letzte Kapitel vollzog sich schnell und gleicht mehr einem Sturz als einer Entwicklung. Aber wer jetzt noch immer Vertrauen in Institutionen kultiviert, in einen Parlamentarismus, der längst durch das Eigenleben der gepamperten linken Zivilgesellschaft zur Alibi-Veranstaltung gestutzt wurde, der hat den Zeitgeist nicht verstanden.

Der Bürger soll ruhig und „untergehakt“, wieder einmal zur überzeugten Volksgemeinschaft verschmolzen, seinem definierten Ende entgegenfiebern, weil dieses Ende die Klimabilanz verbessere, während die Gewinner dieser irren Zwangswelt mit unsanktionierter Gewalt im Stile der Antifa ihre Ziele verfolgen. Diese Karikatur von Bundeskanzler steht wie ein Mitglied der Olsen-Bande an seinem Katheder und verschenkt Almosen, die er vorher uns allen trickreich aus der Tasche gezogen hat. Die mit US-Geld gemietete Scheinopposition (und der Stimme von Friedrich Merz) spricht den Unzufriedenen Europäern in diesem Winter das Demonstrationsrecht ab, so geschehen und klaglos toleriert im Bundestag der vergangenen Woche.

In England bricht das Gesundheitssystem, schon immer eher im Mittelalter zuhause, vollends zusammen, sechzig Prozent der Unternehmen stehen laut Bloomberg vor der Zahlungsunfähigkeit. Unser Märchen-Dummkopf würde sagen, sie sind nicht insolvent, können halt nur ihre Rechnungen nicht bezahlen. In anderen Ländern und Zeiten hätte man die Exponenten solcher Aussagen beseitigt. Wenn sie Glück hatten, nur politisch. Aber darüber schauen wir ja – wertegeleitet – hinweg.

Wie lange noch? Und warum eigentlich? Was uns bleibt, ist noch nicht mal Zeit. Denn vielleicht ist es bald zu spät. Für uns sowieso, aber eben auch für unsere Kinder! Freiheit, wie ich sie meine und wie sie, selbst mit Verantwortung betrachtet, ausschließlich Sinn macht, wird nicht gegeben, geschenkt. Sie wird errungen! Zur Not immer wieder! Zuerst vielleicht von einer kleinen, erkenntnisgeleiteten Minderheit, aber immer mit dem Recht unseres Grundgesetzes ausgestattet. Diesem Ringen ist dafür (fast) jedes Mittel gegeben. Alles andere sind Organisationsfragen.

Goethe lässt seinen Faust zum Schluss den Satz sagen: „Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muss.“ Ihm geht es offenbar nur um die Freiheit, heute sind wir aber in beidem bedroht, der Freiheit UND dem Leben.

Worauf warten wir also?