Der Begriff des „Staatvolkes“ ist in Deutschland geschichtlich belastet und damit ambivalent. Gerade hat sich die AfD dazu geäußert und ist in die bereitwillig gestellte Falle getappt. Denn die sehr richtige programmatische Komponente ihrer Erklärung fällt mit der unhaltbaren der faktischen Akzeptanz jeder politischen Irrung der letzten Jahre und damit in Fortschreibung oppositioneller Ohnmacht auch der künftigen zusammen. Kein verfassungsmäßiges Werkzeug wie das der Passvergabe wird heute so unverhohlen politisch eingesetzt. Mit ihm entfaltet sich die ganze Destruktivität – durchaus im Sinne von Zersetzung – eines Weges, der an seinem Ende erklärtermaßen keine Nationalstaaten mehr dulden will, der Europa homogenisieren und zu einem globalen Siedlungsgebiet abwirtschaftet, in dem zwar „kein Mensch mehr illegal“ ist, aber auch sonst kein Stein mehr auf dem anderen gelassen wird. Wer dazu mehr erfahren will, sei auf die Elaborate des WEF, von Deutsche Bank Research und anderen globalistischen Ideenschmieden verwiesen.

Andere Länder sind da gerade in einer inneren Ein- und im Angesicht der selbst beförderten Verheerungen auch Umkehr begriffen. So haben sich die viel zitierten Banlieues, Suburbans französischer Großstädte, von Quartieren für Arme in nicht einmal fünfzig Jahren zu rechtlich, kulturell und phänotypisch extraterritorialen Gebieten entwickelt. Nichts hat hier noch mit Frankreich zu tun – obwohl die meisten hier Lebenden sehr wohl französische Pässe besitzen. Sie wurden ihnen als Einwanderer ehemaliger Kolonien, Flüchtlinge, Gastarbeiter oder eben einfach so verliehen. Wer „Republique“ buchstabieren konnte, war plötzlich Franzose, die Integration sollte sich dann schon ergeben. Und so verstümmeln heute Franzosen ihre Kinder an den Genitalien, verheiraten ihre Mädchen im Kindesalter – auch zu mehreren, so erlebt heute der Antisemitismus im Namen Frankreich eine Renaissance. Kirchen werden geschändet, der Staat wird betrogen, seine Infrastruktur gerät zur Verfügungsmasse. Jüngst schlug – nicht einmal scherzhaft – jemand vor, Frankreich in der Mitte zu teilen und den Süden den muslimisch – französischen Passinhabern gänzlich zu überlassen.

Israel hat mit ähnlichen Problemen kämpfend gerade erklärt, es wolle das Land der Juden sein. Einige linke Medien haben sofort protestiert und dabei vergessen, dass es die Dynamik hinter dieser Aussage ist, die sie erklärt. Natürlich gibt es gut integrierte Palästinenser mit israelischem Pass. Aber in einer Wirklichkeit, in der diese Familien binnen einer Generation um 5,4 Kinder pro Frau zunehmen, im Vergleich zu 1,4 Kindern in jüdischen Familien, verschieben sich die Gewichte nachhaltig. Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten. Und sie ist es, weil Demokratie dort europäisch-jüdisch geprägt ist. Wenn das so bleiben soll, ist die Ausblendung demografischer Verschiebung durch früher allzu leichtfertig praktizierte Passvergabe der Untergang der Idee des Staates Israel. Niemand mit klarem Verstand wird das bestreiten. Deswegen gilt die Zwei-Staaten-Lösung international als ultima ratio – gleichwohl sie aus den daraus resultierenden unterschiedlichen Interessen nicht von der Stelle kommt.

Auch Kanada hat mit der ökonomisch anfänglich willkommenen Einwanderung gut situierter Chinesen mittlerweile ähnliche Erfahrungen gemacht. Zunächst waren es – besonders an der Westküste – nur Kapitalzuflüsse in Zweitimmobilien, die Gewinner des chinesischen Wirtschaftsaufschwunges trauten ihrem Staat dann doch fast alles zu. Ein Wohnsitz im nahen und liberalen Kanada war ein vergleichsweise gewinnbringender Rettungsanker, eine Möglichkeit für den Fall, dass es einmal anders kommt als man denkt. Mittlerweile ist die zweite und dritte Generation in Kanada ansässig, mit Pass und allen Rechten. Und es ist anders herumgekommen, sogar ganz anders: Der chinesische Staat nimmt über seine Immer-Noch-Bürger zunehmend Einfluss auf die Politik Kanadas. Unzählige Chinesen (mit kanadischem Pass) sitzen bereits in den dortigen Parlamenten, Verwaltungen und Gremien. Sie biegen das liberale Kanada in eine völlig andere Richtung. Irreversibel!

Von Brecht gibt es das berühmte Gleichnis: „Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem zweiten war es noch bewohnbar. Nach dem dritten war es nicht mehr aufzufinden.“ Ich habe zu den beiden vergangenen linken Gesellschaftsexperimenten des 20. Jahrhunderts schon oft geschrieben. Wir bewegen uns augenfällig gerade im dritten und es darf bezweifelt werden, dass es dieses Mal der Stärkung unseres nationalen deutschen Staates dienen wird. Wer im Garten des als Deutscher Bundestag genutzten Reichstages nach unten blickt, entdeckt einen in diesem Sinne geradezu prophetischen Schriftzug. Er setzt sich nicht nur von dem am klassizistischen Fries des großen Säulenportals ab, er widersetzt sich geradezu: „Der deutschen Bevölkerung“ steht da und illustriert ungewollt die Warnung von Donald Trump: „We are a nation, not a settlement area!“ Hier wollen ganz gezielt Akteure Hand an die Grundfesten unseres Staates und damit unseres Landes legen. Subtil aber umso nachhaltiger.

In den USA durfte ich einmal einer besonderen Zeremonie beiwohnen, die mich sehr bewegt hat. Nach Sprachtest und Geschichtsabfrage zur Kulturgeschichte des zukünftigen Heimatlandes wurde den Neubürgern nach Ableistung des Eides auf die amerikanische Verfassung der begehrte Pass der Vereinigten Staaten von Amerika übergeben. Eine symbolische Identitätsstiftung von Staatswegen an die Adresse all derer die meinen, das Bekenntnis zum Grundgesetz allein reiche aus. Nicht mal das ist hierzulande gewollt – denn es ist die deutsche Verfassung, es wäre der Schwur auf ein von seinen Repräsentanten zutiefst ungeliebtes, weil schuldbeladenes Land. Das ist das Problem!

Zurück zur Erklärung der AfD: Sie sanktioniert jenseits der eigenen Programmatik das Faktische. Jetzt und auch zukünftig. Sollte es also einem zukünftigen Kanzler Robert Habeck (wovon der allmächtige Gott dieses Land und uns bewahren möge!) einfallen, alle Migranten auf den griechischen Inseln mit deutschen Pässen auszustatten, müsste auch unsere Partei in diesen Neubürgern Deutsche sehen, ohne Wenn und Aber. Eine völlig irre Vorstellung.

Japan und China entledigen sich der aufgeworfenen Frage übrigens auf ihre eigene Weise. Es ist fast unmöglich, durch Einwanderung Japaner oder Chinese zu werden. Während in China immerhin ca. 100 (!!) Einbürgerungen meist ehrenhalber pro Jahr vergeben werden, ist Japan da noch restriktiver. Die Annahme eines japanischen Namens und viele weitere Anforderungen lassen die Japaner unter sich bleiben. Aussage eines hohen japanischen Verfassungsrichters mir gegenüber: „Wir haben schon genug Probleme mit gebürtigen Japanern, warum sollen wir uns weitere durch Einbürgerung dazuholen?“

Es bleibt also die Aufgabe einer selbstbestimmten Definition zum Thema Staatsvolk: Zukünftig tragfähig und verfassungskonform, fern jeder Nationalromantik und nicht als bloße Illustration von Verfassungspatriotismus. Natürlich müssen Kultur und Wertstiftung, aktive gesellschaftliche Teilhabe und das Bekenntnis zu den in langen und blutigen Jahrhunderten errungenen Gewissheiten den tragenden Teil dafür formulieren. Genauso wie die wachsende Dominanz von geradezu diktatorisch implizierten Minderheitenrechten ganz demokratisch in die Schranken zu verweisen. Wer langfristig ein weiter friedliches Zusammenleben in Europa im Sinne hat, kann und darf die Werkzeuge zu dessen Organisation nicht ideologischen Eiferern, den selbsternannten Vorreitern einer angeblich klimagerechten „Neuen Weltordnung“ überlassen.

Das ist die Aufgabe!