Die Fraktion gibt eine Meinungsumfrage in Auftrag. Aktuelle Themen wie Klimawandel, der Ukraine-Krieg, das Verhältnis zu EU und NATO stehen auf der Liste der Fragen, mit denen 2000 Leute konfrontiert werden. Ein wenig wird dann noch nach Nähe zur AfD gewichtet, hauptsächlich möchte man herausfinden, was Menschen denken, die sich momentan vorstellen können uns zu wählen, das aber noch nicht getan haben. Soweit so gut.
Der erste Disclaimer ist schon selbsterklärend: Die Mehrzahl der Befragten gab an, sich nicht mit unseren Positionen auseinandergesetzt zu haben. Vielmehr betrachte man die Hinwendung zur AfD als ein Protest. Diese beiden Antworten geben Aufschluss im Hinblick auf alle weiteren Standpunkte. Verwundert ist dann nur noch, wer die mediale Dauerbestrahlung und ihre verheerende Wirkung ausblendet. Man ordnet uns zu nah an Russland ein, hält EU und NATO für alternativlos, hält den DEXIT-Beschluss für falsch und ist überzeugt davon, dass der Klimawandel menschengemacht ist. All das steht im Schnitt für zwei Drittel der Antworten.
Man könnte die Themen weiterspinnen – und bekäme ähnliche Schnittmengen: Danach wäre Corona eine furchtbare Krankheit, die Impfung war hilfreich und der Maskenzwang völlig gerechtfertigt. Auch die gestiegene Bereitschaft, unsere Partei zu wählen, bedeutet nämlich keineswegs die souveräne Resistenz, den Mut, den eigenen Verstand zu gebrauchen. So halten nach wie vor 73% der Deutschen die AfD für eine Gefahr, besonders für die Demokratie.
Interessant ist nun, wie reflexhaft ein paar Schlawiner bei uns aufstehen und ernsthaft dort Bestätigung suchen: Man dürfe die NATO nicht in Frage stellen, und der „völkerrechtswidrige Angriffskrieg“ sei als Narrativ kommentarlos zu übernehmen. Die Nähe zu Russland sei ja nun festgestellt und im Übrigen beklagenswert. Das habe man ja schon immer gesagt. Die „Bürgerlichen“, besonders „die im Westen“ tauchen auf, die Rede ist wieder von der „großen Mehrheit“ usw. Nichts davon stimmt. Alles ist Framing. Die Fachausschüsse samt der Programmkommission haben wenigstens parteiintern überwältigende Mehrheiten für Vernunftpositionen festgestellt. Deren temporäre Komponente erwähne ich dabei nur zu gern. Noch vor ein paar Jahren hat man uns belächelt, wenn wir von der Renaissance der Kernenergie gesprochen haben. „Die Bürgerlichen“, besonders „die im Westen“ erklärten damals, das „Thema sei durch“.
Ein weiteres Beispiel gefällig? Die Kampagne gegen den Global Compact for Migration“ ist uns allen als gelungenes Projekt erinnerlich. Haben wir doch im Verlaufe von neun Monaten nicht nur in weiten Teilen der Gesellschaft die Sensibilität für ein komplexes Thema geweckt. Wir haben vielmehr im Verbund mit unseren europäischen Schwesterparteien die Stimmung gedreht, weitgehend den Diskurs bestimmt und zum ersten und einzigen Male einen Punkt gemacht, der allen anderen Mitbewerbern die ungeheure Kraft von Argumenten vor Augen geführt hat. Wie war das möglich? Die Antwort ist einfach: Mit Prokura und strategischer Kommunikation. Wir waren nur eine Handvoll Akteure, keine Versammlung hat die Aufschläge verschlimmbessert oder zerredet. Die Naseweisen hatten keine Stimme. Albrecht Glaser: „Da steht nicht, dass der Compact allgemeingültig wird.“ Jörg Meuthen: „Ich sehe nicht, dass das Thema für die AfD bedeutend sein könnte.“ Letzteres hat er noch im September 2018 so gesehen, drei Monate vor dem großen Finale. Gottseidank spielte derlei Kurzsicht keine Rolle.
Es bleibt festzustellen, dass von allen Wählern dieser Republik die überzeugten AfD-Wähler viele Fragen richtig beantwortet haben. Und das meistens Jahre bevor die Schlafschafe, die Satten und Bedenkenträger der Herde gefolgt sind. Das war bei unserer Haltung zur Eurorettung so, bei der Warnung vor Inflation infolge ausufernder Staatsfinanzierung durch die EZB, bei der Explosion der Target-Salden, bei den Migrationsfolgen, dem Zusammenhang zwischen Einwanderung aus islamischen Ländern und Terrorismus, der Notwendigkeit intakter Landesverteidigung, dem Schutz der Grenzen zum Erhalt des Sozialstaates, der Notwendigkeit von Atomkraftwerken und vielen weiteren Politikfeldern.
Das wird nun genauso sein – auch wenn es noch ein wenig dauert – bei unserem richtigen Instinkt in Bezug auf EU und NATO, der verhängnisvollen Rolle der US-Außenpolitik für die Probleme Europas und dem großen europäischen Versagen, der Abwesenheit von strategischer Autonomie im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Wir werden auch in Zukunft nur in Frieden leben können, wenn wir mit und nicht gegen Russland an einer europäischen Sicherheitsarchitektur arbeiten.
Einer Geopolitik, die Europa benutzt, es zum Objekt degradiert, statt als Subjekt mit eigenen Interessen wahrzunehmen, müssen wir die rote Karte zeigen. Den Menschen klar zu machen, dass das Problem ungeregelter Migration, an dem Europa sich fast auseinanderdividiert – der Brexit ist eine unmittelbare Folge gewesen – in direktem Kontext zu einer imperialen und katastrophal gescheiterten US-Außenpolitik steht, in Afganistan, Syrien, dem Jemen, Libyen, und dem Irak, ist nicht nur unsere politisch legitime Position. Die Repräsentationslücke dieser Aufklärung ist unsere Aufgabe auf dem Wege zur Rückgewinnung von Souveränität und strategischer Autonomie.
Viktor Orban hat in diesen Tagen ganz richtig erkannt: „So etwas wie mit den Nord-Stream Pipelines können sie vielleicht mit den Deutschen machen, aber nicht mit den Ungarn.“ Was er dann zur NATO, zur Rolle der USA, zum Verhältnis zu Russland, zur Rolle von Trump und seiner Fähigkeit zum Frieden gesagt hat, liegt auf der gleichen Linie von Wahrheit, Intelligenz und Glaubwürdigkeit. Davon sind viele deutsche Politiker, einige davon auch in unserer Partei, meilenweit entfernt.
Die AfD wird ihre Rolle nur als wirkliche Alternative behalten und ausbauen. Der Blick zurück, in ein Deutschland, das es so nie gab, der Blick zur CDU gar, zu einer Partei, die die schlimmsten derzeitigen Verhältnisse überhaupt erst geschaffen hat, ist nicht nur ein falscher. Er bremst unsere Dynamik, er suggeriert Anbiederung und Kleingeist und verkennt die Größe der gestellten Aufgabe. Dieses Land ist nicht mehr das von 2013. Man kann das bedauern oder nicht, allein die politischen Mittel und Wege haben sich der Aktualität anzupassen. Die Lösung existenzieller Probleme – und wer würde diese derzeit abstreiten – verlangt eben hin und wieder Radikalität, im Denken und politischen Handeln. Gepaart mit Klugheit und guter, Tag für Tag geduldiger und immer besserer Kommunikation, werden wir immer mehr Menschen von der Richtigkeit unserer Positionen überzeugen.
Alles Andere machen die Mitbewerber – leider noch immer viel zu erfolgreich.
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