Die Idee der „schnellen Brüter“ im Zusammenhang mit sauberer Kernkraft, später die Forschung an sauberer Energie katapultierte die Stadt Hanau in den 70er und 80er Jahren immer wieder in die bundesweiten Schlagzeilen. Heute ist diese Industrie in Deutschland weitgehend abgewickelt, Alkem gehört einem russischen Konsortium. Spätestens nach Fukushima findet diese Art der – übrigens CO2-freien – Erzeugung von Strom überall auf der Welt statt, nur eben nicht hierzulande. Der erste von vielen Merkelschen Irrwegen: Deutschland sollte vorangehen, die Welt würde folgen. Nur interessierte es außerhalb der westdeutschen Blase Keinen, nicht einmal Frankreich.

Heute ist Hanau, einst Stadt der Gebrüder Grimm, eine triste, einer der von Roth und Wieland beschriebenen „öden Orte“. Im Netz finden sich Artikel zuhauf, sie handeln vom „Niedergang einer Stadt“ oder „Multikulti extrem“. Schulen mit einem „Ausländeranteil von 98 Prozent“. In jüngerer Zeit ist sie vor allem in den Blaulicht-Spalten der Lokalpresse präsent, mit regelmäßig stattfindenden Massenschlägereien, Clan-Kriminalität und Polizei-Großeinsätzen.

Der Harvard-Politologe Yascha Mounk hat am 20. Februar 2018 in den Tagessthemen formuliert, „dass wir hier ein historisch einzigartiges Experiment wagen, und zwar eine monoethnische und monokulturelle Demokratie in eine multiethnische zu verwandeln. Das kann klappen, das wird, glaube ich, auch klappen, dabei kommt es aber natürlich auch zu vielen Verwerfungen.“ Soweit Mounk.

Trostlosigkeit und fehlende Perspektive paaren sich in den Brennpunkten des modernen Lebens. Vor 20 Jahren haben wir diese Zustände in den deindustrialisierten Städten des amerikanischen „Rust Belt“ mit Kopfschütteln quittiert. Zum Individualismus erzogen kippen die Individuen ohne soziale Bindungen und ohne Aussicht auf privates Glück in den landläufigen Irrsinn.

Sie wohnen kontaktarm noch immer im elterlichen Kinderzimmer, werden nach jahrelangem hirnzersetzenden Gebrauch von Ego-Shooter-Spielen Mitglied im örtlichen Schützenverein und fangen dann an, von Fanalen zu träumen – um ihrem verkorksten Leben doch noch ein wenig Sinn einzuhauchen.
Glücklichere Fügungen dieser kinderlosen, familienlosen Spezies bringen es bis ins Bundestagspräsidium. Es sind – wie Sloterdijk treffend schrieb – Verwirrte, ihr eigentlich grundloser Gestaltungswille stiftet Verwirrung. Oder eben Verwerfung.

„Multikulturalismus kann tödlich sein. Er kitzelt aus Menschen, die diesem verantwortungslosen Experiment ausgesetzt werden, einen der elementarsten Instinkte heraus: das Revierverhalten. Multikulti in Verwerfungsbestform ist der Bürgerkrieg zwischen ethnisch-kulturell auf einem Territorium zwangsvermischten Gruppen.“ (M. Klonovsky)

Das eigentliche Versagen in Hanau findet sich angesichts der amokartig Ermordeten vor allem in den örtlichen Behörden, ihrer alltäglichen Gleichgültigkeit, ihrer strukturellen Blindheit. Offenbar geht der Kampf gegen „Räächts“ jenseits des Parteien-Bashings nicht mal so weit, einem irren, polizeibekannten Untergangsfanatiker die Waffenbesitzkarte zu entziehen.

Die gewollte „Aufnahmegesellschaft“ nicht zu überfordern, den Menschen nicht ihre vertraute Umgebung und die damit verbundenen Sicherheiten zu nehmen, ist Grundlage jeder Integrationskraft. Das ist der Grund, warum verantwortungsvolle Politiker wie Helmut Schmidt immer wieder darauf insistiert haben, es mit der Aufnahme von Fremden nicht zu übertreiben. Es klingt wie eine Rechtfertigung der wahnsinnigen Tat, ist aber im Grunde nach nichts anderes als der alltägliche Irrsinn. Denn es gibt zwischen dem Geschehen in Hanau, der Tat in Halle, den vor einen einfahrenden ICE geworfenen Jungen und seiner Mutter und dem schwertschwingenden „Einzeltäter“ aus Stuttgart nahezu keinen psycho-pathologischen Unterschied.

Breughel hat in der Verwirrung der Sprachen beim Turmbau zu Babel unseren gesellschaftlichen Zustand schon illustriert und vorweggenommen. Die Projekte werden immer ambitionierter, gewaltiger, die Natur des Menschen verzweifelt daran, erst in die hysterische Sprachlosigkeit, später in den Irrsinn. Es wächst nicht zusammen was nicht zusammen gehört.

Vor zwei Jahren hatte ein Leipziger Vermieter Mitleid mit einem sozial Gestrauchelten. Er quartierte den schwer gestörten jungen Mann in die gerade frei gewordene Dachwohnung ein, in bester Lage immerhin. Fortan tobte sich die moralisch gute Tat an den Hausbewohnern aus: Kinder wurden begrapscht, ihre jungen Mütter belästigt. Bis zu 200 obszöne Nachrichten verschickte der großzügig vom Staat alimentierte Bohemien. Er verwickelte immer wieder die Bewohner in seine Schreiattacken, drohte mit seinem und unser aller Tode. Die Polizei wurde zum Dauergast. Anzeigen wurden geschrieben, Psychologen eingeschaltet, allein das ganze Programm des sogenannten Opferschutzes griff nur bei ihm. Er onanierte auf den Treppenabsätzen und verschickte Bilder seines so gewonnenen Genpools an weibliche Mitbewohner. Die beschwerdeführende Mutti bekam von den Behörden immer den gleichen Satz zu hören: „Solange nichts wirklich Gewalttätiges passiert, können wir nichts machen.“ Sollte wohl heißen: „Kommen Sie doch wieder vorbei, wenn er eines ihrer Kinder auf dem Gewissen hat. Gute Fotos nicht vergessen!.“

Man sieht, wir hätten mit den eigenen Auswüchsen der globalisierten Welt alle Hände voll zu tun. Vorausgesetzt, wir würden Normalität wieder als Maß und Mitte definieren – und nicht als Minderheitenrecht von Perversen, Spinnern und – wie in Hanau – tickenden Zeitbomben.

„Dieser Staat lebt von Bedingungen, deren Voraussetzungen er nicht garantieren kann“. Dabei geht es nicht um das Durchbrechen der gesetzlichen Leitplanken, gefolgt von Strafe und Sühne.
Werte, Identität, Selbstverständlichkeiten und Kultur, z.B. die des Zusammenlebens, gedeihen nicht aufgrund gesetzlicher Regelungen, schon gar nicht aufgrund angedrohter Strafen.

Sie brauchen einen Sinn im Leben, familiäre Nähe und Geborgenheit, die Zugehörigkeit und die Liebe zum Eigenen bei behutsamem Respekt des Fremden.
Vielfalt ist Beliebigkeit, jeder nach seiner Facon. Als Postulat ist sie geradezu eine Aufforderung, sogar an paranoide Verbrecher.

Auf diejenige Seite der Politik einzudreschen, die seit ihrem Bestehen vor derlei Verwerfungen warnt, ist Teil unserer völlig aus den Angeln gehobenen, absurden Diskussion.

Hanau, Bonn-Bad Godesberg, Offenbach, Duisburg und viele weitere einst blühende Orte – der Kraftakt zu ihrer Reparatur ist von einer dem Nihilismus seiner Existenz verfallenden Gesellschaft einstweilen nicht zu erwarten.